21.05.2013
Verstärkung vom neuen deutschen Doublegewinner der Frauen für unsere Elf gegen Rassismus
Rückennummer 10 - Viola Odebrecht
„ …ich wollte ja nur Fußballspielen.“ Eine Weltmeisterin über Sexismus und Diskriminierung im Fußball.
Nach der Männerriege Alexander Merkel, Mirko Slomka, Jimmy Hartwig und Anthony Ujah folgt jetzt mit der Rückennummer 10 eine Titelsammlerin als Neuzugang für unsere „Elf gegen
Rassismus“.
Am heutigen Dienstag begrüßen wir die erste Frau in unserer „Elf gegen Rassismus“.
Mit der Mittelfeldspielerin Viola Odebrecht von den neuen deutschen Meisterinnen, Pokalsiegerinnen und Champions League Siegerinnen des VfL Wolfsburg unterstützt uns eine Spielerin, die alles gewonnen hat, was es im Fußball zu erreichen gibt: Weltmeisterin, mehrmalige Deutsche Meisterin (unter anderem fünfmal in Folge), DFB Pokalsiegerin und sowohl den UEFA-Pokal als auch die Champions League. Ihre Karriere führte sie von Turbine Potsdam nach Florida über Reykjavík zurück nach Potsdam und dann weiter zum VfL Wolfsburg, wo sie heute unter Vertrag steht.
Die gebürtige Neubrandenburgerin spricht mit uns in einem ausführlichen Gespräch über Ihre Erfahrungen mit Sexismus und Diskriminierung Im Fußball sowie im Alltag. Sie betont, dass es für sie das
Schlimmste wäre, sich aufgrund von gesellschaftlichem Zwang ändern zu müssen und reflektiert, wie sie mit gesellschaftlichen Vorurteilen konfrontiert wurde als sie als kleines Mädchen anfing Fußball
zu spielen.
Viola, wurdest du persönlich schon einmal (sexistisch) diskriminiert oder beleidigt? Wie hast du in der Situation bzw. im Nachhinein reagiert? Wie hast du dich gefühlt?
In meiner Jugend kam das oft vor. Fußball galt als keine Sportart für Mädchen und Frauen. Als Mädchen wurde ich deshalb oft eher als Junge behandelt und als heranwachsende Frau musste ich mit
Vorurteilen und Beleidigungen wie „Mannsweib“ leben. Am Anfang war das nicht leicht, ich wollte ja nur Fußballspielen. Jedoch habe ich bald gemerkt, dass die Menschen nur unsicher und unwissend
reagiert haben auf etwas, was sich in der Gesellschaft noch nicht durchgesetzt hatte und bald waren mir die Kommentare egal.
In welcher Form begegnet dir Rassismus im Alltag?
Eigentlich nur in den Medien. In meinem weiteren Umfeld höre ich nur ab und zu abfällige Bemerkungen über Ausländer.
In welcher Form begegnet dir Rassismus in deiner Sportart?
Zum Glück kam auch das in meiner Karriere nicht sehr oft vor. Ich habe bisher nur eine Situation mitbekommen. Eine deutsche Mitspielerin ist den ausländischen Mitspielerinnen aus dem Weg gegangen und
hat sie komplett ignoriert.
In welcher Form begegnet dir Sexismus in deiner Sportart?
Es gibt immer noch viele Menschen, die abfällige Bemerkungen gegen Frauenfußball äußern. Ich denke, dass wird auch immer so bleiben. Frauen in männerdominierten Sportarten werden immer auf Skepsis
treffen.
Gibt es oder gab es Rassismus im Fußball?
Es gibt viele Beispiele im Fußball. Ich war zum Glück noch nie in so einer Situation. Aber wenn ich an den englischen Skandal denke, der sich vor der Europameisterschaft diesen Jahres abgespielt hat,
glaube ich schon, dass es einige rassistische Situationen gibt
Warum gibt es deiner Meinung nach Rassismus? Und was ist für dich Diskriminierung?
Ich denke Rassismus entsteht zum einen, weil viele Menschen engstirnig und eingeschränkt in ihrer Welt leben und ängstlich allem Neuen gegenüberstehen und anstatt sich damit zu befassen, bringen sie
dem Skepsis und Angst gegenüber. Viele Menschen sind ebenfalls unzufrieden mit ihrem eigenen Leben und versuchen diese Unzufriedenheit auf Minderheiten zu projizieren, um sich besser zu fühlen.
Diskriminierung ist für mich Intoleranz. Menschen, die andere nicht so akzeptieren können, wie sie sind.
Hat der Rassismus deiner Ansicht nach in der Gesellschaft nachgelassen oder zugenommen?
Vor ein paar Jahren, hätte ich gesagt, dass der Rassismus nachgelassen hat. Mittlerweile habe ich das Gefühl, dass Rassismus wieder vermehrt zu finden ist. Die öffentliche Auseinandersetzung mit dem
Islam innerhalb Europas ist ein gutes Beispiel dafür, dass das Thema Rassismus eher ein aktuelles Problem darstellt.
Dein Rat: Was können Jugendliche tun, wenn sie mit Rassismus und Diskriminierung konfrontiert sind?
Das hängt damit zusammen aus welcher Position man damit konfrontiert wird. Ist der Jugendliche, der diskriminierte, würde ich mir Selbstbewusstsein wünschen, dem entgegenzutreten und sich nicht zu
verstecken, vor allem aber nicht mit dem gleichen Niveau darauf reagieren, dass schürt den Hass der Anderen nur noch mehr.
Wenn man der Jugendliche ist, der Diskriminierung von Minderheiten mitbekommt, z.B. an Schulen, sollte sich zum einen nicht durch Gruppenzwang anstecken lassen und zum anderen diese Mitschüler so
behandeln, wie er selbst auch behandelt werden möchte – mit Respekt und Toleranz!
Du spielst mit Spieler_innen aus verschiedenen Kulturen und Nationen zusammen, hast du von Mitspieler_innen schon einmal etwas gelernt oder persönlich davon profitiert?
Zu dieser Frage fällt mir leider kein Beispiel ein, jedoch sind für mich alle Mitspieler gleich, egal wie sie aussehen oder welcher Nationalität sie angehören!
Ich zeige Rassismus und Diskriminierung die rote Karte, weil:
Es für mich nichts Schlimmeres gibt, als die Vorstellung, mich ändern zu müssen, aufgrund gesellschaftlichen Zwangs. Wenn ich diese Freiheit für mich beanspruche muss ich allen Menschen ebenfalls
diese Freiheit gewähren. Jeder so wie er möchte, solange es dem Gesetz entspricht!
Sportler_innen können helfen, Vorurteile und Rassismus zu bekämpfen, weil:
Wir eine Vorbildfunktion in der Gesellschaft annehmen, der wir uns bewusst sein müssen. Gerade Jugendliche und Heranwachsende nehmen sich an ihren Idolen ein Beispiel.
Viola, vielen Dank für das ausführliche Interview und nochmals herzlichen Glückwunsch zum Gewinn der deutschen Meisterschaft.